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Auf dem schmalen Grat zwischen Sachbuch und Belletristik tänzelnd, präsentiert Reitmeier mit seinem Großen Stockraus eines der wenigen Nachschlagewerke, die nicht vorgeben, unparteilich, überpersönlich und todernst zu sein. Seine selten konsequente Linksradikalität wird dabei von seinem gesunden Skeptizismus gemildert. Zwar handelt es sich bei seiner in 355 Artikeln ausgeführten Tracht Prügel um einen Rundschlag. Das bedeutet aber keineswegs, die geballte Ladung müsse um den Preis von Kopfschmerzen in einem Zuge genossen werden. Ein Register ermöglicht die gezielte Suche nach Themen oder Personen. "(...) Henner Reitmeier, der zwar in seinem “Großen Stockraus” nicht weniger persönlich räsoniert, aber weil er sich über den fünfbändigen Brockhaus, den er 1971 erwarb, so geärgert hatte - wegen all der darin enthaltenen “Verzerrungen/Auslassungen/Lügen”, ist er nun in seinem eigenen einbändigen “Relaxikon” bei der alphabetischen Ordnung seiner Gedankenwelt geblieben. Diese beinhaltet seine Lieblingsautoren und -vögel ebenso wie einige noch nicht existierende Einrichtungen - das “Misfitness-Center” z.B. sowie schwer abzugewöhnende Gewohnheiten: u.a. das “Rauchen” und etliche persönlichen Macken: “Fluchen”, “Circus Herkules”, “Hochmut des Alters”… Trotz vieler privater Vorlieben, wie “Landkommunen”, “Musik” und “Thälmanns Enkelin” (statt Teddy Thälmann), ist der “Große Stockraus” ein echtes Lexikon - mit ausführlichem Register und ganz viel Welthaltigkeit. Für meinen Geschmack sogar zu viel, denn der Autor lebt quasi auf dem Land und ich erwartete von ihm, dass er zwar noch im kleinsten zerdärmten Frosch am Feldrand die Abwesenheit Gottes erkennt - und meinetwegen beklagt, aber solche Ochsenfrosch-Wörter wie “Gerhart Schröder”, “Rudolf Augstein” und “George Bush” getrost dem “Bild”-Lexikon aus dem Springerstiefelverlag überläßt. Helmut Höge blogs.taz.de henner-reitmeier.de | ||||