Menz / Wagner .:. Niklaus Manuel Deutsch

Menz, Ca sar und Hugo Wagner [Red.], Niklaus Manuel Deutsch. Maler, Dichter, Staatsmann. Bern: Kunstmuseum, 1979. XII, 554 Seiten mit 152 Abbildungen auf Tafeln, Literaturverzeichnis und Register. Leinen mit Schutzumschlag. Grossoktav.
* Ausstellung vom 22. September - 2. Dezember 1979, Kunstmuseum Bern. Texte von Hugo Wagner, Franz Bächtiger, H.Chr.von Tavel, Paul Zinsli, Ulrich Im Hof Max Huggler u.a. - Schutzumschlag mit Gebrauchsspuren.

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Hugo Wagner
VORWORT
Eine erste Ausstellung des zeichnerischen Werkes von Niklaus Manuel hat 1930 Hans Koegler im Kunstmuseum Basel im Zusammenhang mit seiner wissenschaftlichen Aufarbeitung des Basler Bestandes an Manuel-Zeichnungen veranstaltet. Ein Teil der Ausstellung ist danach im Kunstmuseum Bern gezeigt worden. In beiden Museen waren an Gemälden nur die damals museumseigenen Werke Manuels einbezogen worden. Sechs Jahre später hat Wilhelm Wartmann, nach Erwerbung der "Schlüsselübergabe an Petrus" durch die Gottfried Keller-Stiftung, eine Ausstellung der damals bekannten kirchlichen Gemälde Manuels im Kunsthaus Zürich durchgeführt. Inzwischen sind eine Reihe weiterer Altarteile bekannt und zum grösseren Teil in die Schweiz zurückgeführt worden: der zweite Flügel des Antonius-Altares wie mehrere Teile des einstigen Hochaltares der Dominikanerkirche. 1971 zeigte das Kunstmuseum Basel nochmals den seit 1930 um einige Werke vermehrten eigenen Bestand an Handzeichnungen Manuels; ein Katalog wurde nicht herausgegeben.

Eine Gesamtschau des Werkes und der Persönlichkeit von Niklaus Manuel drängte sich seit langem auf. Der 100. Geburtstag des Kunstmuseums lässt den alten Wunsch Wirklichkeit werden. Ein solches Unternehmen ist aber nur gerechtfertigt, wenn es dazu beiträgt, das Bild, das uns die Geschichtschreibung von Manuel überliefert, zu klären, vielleicht zu modifizieren, jedenfalls aber zu vertiefen.

So wagt denn unsere Ausstellung den Versuch, die vielschichtige Persönlichkeit Niklaus Manuels als Maler und Zeichner, als Schriftsteller, Landvogt, Staatsmann und Förderer der Reformation so umfassend wie möglich zu vergegenwärtigen:

Eine erste Abteilung will den Besucher anhand verschiedenartiger Gegenstände mit den politischen, religiösen und sozialen Verhältnissen der Stadt Bern um 1500 vertraut machen. Einige der wenigen erhaltenen kirchlichen Gemälde und Skulpturen von Vorgängern und Zeitgenossen unseres Malers tragen dazu bei, die damalige künstlerische Situation der Stadt in Erinnerung zu rufen; die Glasmalerei kommt in einer besonderen Abteilung zu Wort.

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht natürlicherweise der Maler und Zeichner. Dem Bildersturm von 1528 sind in den bernischen Kirchen die meisten Altäre — wohl auch solche von Niklaus Manuel -- zum Opfer gefallen. Wie umfangreich das tatsächlich geschaffene Werk des Berners war, wieviel verloren gegangen ist, kann nicht mehr rekonstruiert werden. Die Ausstellung vereinigt alles an Gemälden, was heute bekannt ist und sich sicher oder mit aller Wahrscheinlichkeit mit Manuels Namen in Verbindung bringen lässt; darunter auch die erstmals in der Schweiz zu sehende "Kreuzigung Christi" aus Usson (Auvergne). Nicht restlos geklärt ist die Chronologie vieler Werke, im Falle des Hochaltares der Dominikanerkirche auch die Frage nach den Mitarbeitern, dem Ausmass der Werkstattbeteiligung. Und einzelne Werke mögen noch immer zu verschiedenartigen Deutungen Anlass geben, wie gelegentlich schon aus den im Katalog vereinigten Beiträgen herauszulesen ist. Im Hinblick auf die Ausstellung hat das Kunstmuseum Basel das "Urteil des Paris", das Kunstmuseum Bern die "Anbetung der Könige" und den ihm verbliebenen Teil der "Aussendung der Apostel" restauriert, wobei die Ergebnisse im Katalog nur noch z. T. berücksichtigt werden konnten.

Die verlorenen Wandbilder — "Totentanz" und "Salomons Götzendienst" sind durch Kopien aus dem 17. und 18. Jahrhundert präsent. Kauws Kopien sind vor kurzem einzeln passepartouriert worden, so dass sie hier erstmals vollständig und friesartig, dem ursprünglichen "Totentanz" entsprechend, ausgestellt werden können.

Die Zeichnungen, die sich von Niklaus Manuel erhalten haben, sind nahezu voliständig vereinigt. Aus konservatorischen oder anderen Gründen konnten die folgenden vier Blätter, ohne Zweifel eigenhändig sind, nicht ausgeliehen werden:
Stehende alte Hexe, Berlin (K 103)
Madonna mit Kind vor Säule, Berlin (K 112)
Madonna mit Kind, Karlsruhe (K 111)
Sitzende Frau mit Hund, Frankfurt (ZAK 1950, p. 251).

Bedauerlich ist vor allem das Fehlen der Zeichnung aus dem Städel, die von Schilling als von Rubens überarbeitetes Werk Manuels publiziert worden ist. Alle anderen Zeichnungen, die nicht im Katalog aufgeführt sind, wurden als falsche oder ungerechtfertigte Zuschreibungen ausgeschieden. Jede Beschäftigung mit dem Zeichnungswerk von Manuel hat sich indes mit dem fundierten wissenschaftlichen Katalog von Hans Koegler aus dem Jahre 1930 auseinanderzusetzen. So ist denn auch eine Reihe von Blättern in die Ausstellung miteinbezogen worden, die Koegler unserer Ansicht nach zu Unrecht — als eigenhändig angesehen hat oder deren Zuschreibung noch immer offen ist, in der Hoffnung, dass die Gegenüberstellung der Originale zu einer Klärung führen kann.

Den signierten Holzschnitten in den wohl schönsten Exemplaren präsent — sind auch die verschiedentlich zugeschriebenen Werke dieser Gattung beigeordnet.

Ausgesuchte Zeichnungen und druckgraphische Arbeiten anderer Künstler der Jahrhundenwende deuten an, in welcher Weise Manuel solche Anregungen zur Kenntnis genommen und in seinem eigenen Werk verarbeitet hat.

Mehr im hypothetischen Bereich bleibt das Kapitel «Niklaus Manuel und die Glasmalerei». Gerade weil hier so viele Fragen ungeklärt sind, schien es uns wichtig, diese in Bern besonders beliebte Kunstgattung, der Niklaus Manuel, wie manche Beispiele belegen, nahestand, durch eine verbindliche Auswahl in die Ausstellung miteinzubeziehen. Durch den nahen Vergleich von Zeichnung und Glasgemälde erhofft sich die Ausstellung neue Erkenntnisse. Die Übertragung einer Vorlage in ein anderes Medium erschwert die Abgrenzung der Anteile zweier oder mehrerer Künstler ganz erheblich. Dies betrifft auch die ungeklärte Frage, ob und wieweit Manuel als Entwerfer für die vier Vinzenzenteppiche von 1515 und für das Chorgestühl im Berner Münster von 1522/24 tätig war.

Niklaus Manuel als Schriftsteller, Landvogt, Staatsmann und Förderer der Reformation anschaulich vorzustellen, war gegebenermassen schwieriger. Seine ab 1524 bei Froschauer in Zürich gedruckten Schriften sind in der Ausstellung durch frühe Drucke vertreten. Leider hat die Landesbibliothek Weimar den ersten Druck der "Totenfresser" aus konservatorischen Gründen nicht ausleihen können; es liegen aber die zweite Ausgabe, bereits im gleichen Jahre und 1524 gedruckt, und der erste Berner Druck von 1540 vor. Dem zweiten Spiel "Von Papsts und Christi Gegensatz" werden Lucas Cranachs "Passional Christi und Antichristi" sowie eine entsprechende Zeichnung aus Erlangen gegenübergestellt. "Der Ablasskrämer" hat sich — eine besondere Kostbarkeit — in Manuels Handschrift erhalten. Die übrigen Dokumente wie etwa das Bicocca-Lied in der Abschrift von Aegidius Tschudi mit der Überlieferung der Melodie oder der Brief Manuels aus Baden an Zwingli vergegenwärtigen wiederum andere Seiten des Berners. Die verschiedenen Abschriften der Verse des (Totentanzes) sind notwendigerweise mit den Kopien von Kauw nach dem "Totentanz" ausgestellt.

Manuels Tätigkeit als Landvogt von Erlach rufen eine Anzahl eigenhändig geschriebener Briefe, z. T. mit seinem Siegel versehen, in Erinnerung, Briefe, die er — über Waisenkinder und Kornvorräte, über unvorhergesehene Ereignisse und drohende Gefahren berichtend — an den Rat von Bern und die benachbarten Städte Neuenstadt und Biel geschrieben hat. Andere Dokumente geben Auskunft über rechtliche Auseinandersetzungen, Verkauf von Rebland, Waldausmarchungen und dergleichen.

Die Dokumente, welche die letzten Jahre von Manuels Leben illustrieren, lassen erkennen, wie sehr sich politische, kirchliche und soziale Fragen durchdringen, so dass eine Aufgliederung verunmöglicht wird. Der Staatsmann Manuel ersteht vor uns als politischer Führer eigener Prägung besonders durch die eindrückliche Rede, die er 1529 vor dem Zürcher Rat gehalten hat, der entschiedene Förderer der Reformation durch seine selbst aufgezeichnete Ansprache an der Berner Disputation, seine Inventare kirchlicher Gold- und Silberschätze, welche für die Münze bestimmt wurden, und schliesslich der Privatmann, der sich in der Nähe von Erlach noch kurz vor seinem Tod einen eigenen Rebberg erworben hat.

Alle Dokumente, welche das Herkommen und die künstlerische Laufbahn Niklaus Manuels betreffen, sind im Katalog nach neuer Überprüfung abgedruckt. Nach 1523 häufen sich die schriftlichen Dokumente derart, dass sich die Ausstellung auf eine Auswahl der wichtigsten Briefe, handschriftlichen Eintragungen, Dokumente und Nachrichten beschränken musste. Eine Reihe von Wissenschaftern historischer, kunsthistorischer und literarhistorischer Richtung, welche sich mit Manuel und seiner Zeit wiederholt beschäftigt haben, stellten sich in den Dienst der Ausstellung; bleibender Niederschlag ihres Zusammenwirkens ist der vorliegende Katalog.


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